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Morden darf nur der Norden:

Die Neue NATO

Mitten im Krieg gegen Jugoslawien fanden im April 1999 die Feierlichkeiten zur fünfzigjährigen Existenz der NATO in New York statt. Hier wurde das neue strategische Konzept des Bündnisses, dessen Neubestimmung seit dem Ende des Kalten Krieges »notwendig« geworden war, offiziell bekanntgegeben. Das Konzept ist nicht wirklich neu, denn in den »verteidigungspolitischen Richtlinien« der Bundeswehr von 1992 sind die Kernpunkte der Strategie des Bündnisses bereits formuliert.

    Der Krieg gegen Jugoslawien war zu diesem Zeitpunkt schon vier Wochen in vollem Gange. Er ist die erste Manifestation der Neuen NATO.

    Nicht mehr die angebliche Bedrohung durch die Warschauer Pakt Staaten »rechtfertigt« die Existenz des Bündnisses ideologisch (wobei nicht vergessen werden sollte, dass die NATO vor dem Warschauer Pakt gegründet wurde), sondern:

 
 

»ein breites Spektrum militärischer und nichtmilitärischer Risiken, die aus vielen Richtungen kommen und oft schwer vorherzusagen sind (...) Ungewissheit und Instabilität in und um den euroatlantischen Raum, sowie die mögliche Entstehung regionaler Krisen an der Peripherie des Bündnisses (...) Ethnische und religiöse Rivalitäten, Gebietsstreitigkeiten, unzureichende oder fehlgeschlagene Reformbemühungen, die Verletzung von Menschenrechten und die Auflösung von Staaten (...) Sicherheitsinteressen des Bündnisses können von anderen Risiken umfassender Natur berührt werden, einschließlich Akte des Terrorismus, der Sabotage und des organisierten Verbrechens, sowie der Unterbrechung der Zufuhr lebenswichtiger ressourcen. Die unkontrollierte Bewegung einer großen Zahl von Menschen, insbesondere als Folge bewaffneter Konflikte, kann ebenfalls Probleme für die Sicherheit und Stabilität des Bündnisses aufwerfen.«

   Die Verteidigung der »vitalen nationalen Sicherheitsinteressen«, das heißt vor allem die Sicherung von Märkten und Rohstoffen sind der Zweck der NATO. Das Bündnis entscheidet in den strategisch interessanten Regionen der Erde darüber, wann die genannten Kriterien der Gefährdung der nationalen »Sicherheits«interessen als erfüllt anzusehen sind oder nicht (man vergleiche die Haltung des Bündnisses gegenüber der Türkei mit dem Krieg gegen Jugoslawien).

   Militärischer Interventionismus - out of area - zur »Konfliktverhütung« oder »Krisenbewältigung« je nach dem, wo die vitalen Sicherheitsinteressen der Bündnismitglieder gerade gefährdet erscheinen, wird so zur wesentlichen Option. Hierzu dient die Definition von Schurkenstaaten, wie der Irak oder Jugoslawien, die für das Eingreifen erforderlich sind.

   Was sind »vitale nationale Sicherheitsinteressen«? Eine Erläuterung am Beispiel der USA. David Trucker (stellvertretender Direktor im Büro des amerikanischen Verteidigungsministeriums, zuständig für Sonderoperationen und Konflikte unterhalb der Kriegsschwelle) sagte in der sicherheitspolitischen Zeitschrift »Parameters« im Sommer 1998: »Generell gibt es nur eine Region in der Welt, wo unsere Sicherheitsinteressen mit der Barbarei zusammenstoßen könnten: Das Gebiet um den Persischen Golf, nördlich bis zum Kaspischen Meer und östlich bis nach Zentralasien. Das ist eine sehr bedeutende Region (ungefähr von der Größe der USA), die etwa 75 Prozent der Weltölreserven und 33 Prozent der Erdgasreserven beherbergt.«

 


So diente der Krieg gegen Jugoslawien - diese »Verhinderung einer humanitären Katastrophe« - der »Entriegelung« des Balkans und damit dazu, den strategisch interessanten Osten - also die zentralasiatischen Reichtümer - dem Einfluss und der Kontrolle der NATO zu unterwerfen. Voraussetzung dazu war die Zerschlagung Jugoslawiens.

    Es war auch ein Krieg, der dazu geführt wurde, die Glaubwürdigkeit der NATO unter Beweis zu stellen, und bei dem die divergierenden Interessen der führenden NATO-Mächte, Deutschland und USA, nur mühsam der Öffentlichkeit verborgen gehalten wurden:

 
 

... die führenden Persönlichkeiten der Allierten zu der Überzeugung gekommen waren, dass nun militärische Aktionen unvermeidbar geworden waren, sollte die Glaubwürdigkeit der NATO als Instrument der europäischen Sicherheit und die Einbindung der amerikanischen Macht in Europa erhalten bleiben.

Joseph Fitchett, amerikanischer Sicherheitsexperte in: International Herald Tribune, 25.3.1999


Das Bündnis wird bei der Erfüllung seines Zieles (...) auch weiterhin die legitimen Sicherheitsinteressen anderer Staaten achten und die friedliche Beilegung von Streitigkeiten in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen anstreben.

Das strategische Konzept des Bündnisses. in: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Bulletin Nr.24, Bonn, 3.5.1999, S.222-231

 

Die angestrebte Übereinstimmung ist nur so lange relevant, wie der UN-Sicherheitsrat die richtigen Beschlüsse fasst. Droht wie im Falle Jugoslawiens ein Veto, etwa durch China oder Russland, erteilt sich das Bündnis selber das Mandat. Die Selbstmandatierung ist ein wichtiges Prinzip der Neuen NATO, die im Krieg gegen Jugoslawien zum ersten Mal angewendet wurde: Völkerrecht und UNO stehen der neuen Weltordnung im Weg, die völlige Delegitimierung der UNO ist das Ziel. Die Definitionsmacht von »Krisen«, »Krisenlösungsstrategien«, »Frieden« entsprechend den nationalen Sicherheitsinteressen liegt offen bei der NATO.

    Weiteres Kennzeichen der Neuen NATO ist dementsprechend die Umrüstung auf Krisenreaktionskräfte, schnelle Eingreiftruppen, die schnell und flexibel in den beliebig definierten »Krisengebieten« der Welt eingesetzt werden können.

 
 
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